3. Oktober 2012
Entdeckungstour im Grünen
48h Fläming
Jedes Jahr im Herbst lädt der Fläming für zwei Tage zu einer kulturellen und kulinarischen Entdeckungstour in den „Naturpark Hoher Fläming“ ein. Von Bad Belzig aus starten regelmäßig kostenlose Shuttlebusse zu einer Rundfahrt durch die Region. An den einzelnen Haltepunkten entlang der Strecke können die Besucher jederzeit aus- und zusteigen.
Meine Tour für dieses Jahr sah, wie schon vor zwei Jahren, zunächst erneut die Burg Rabenstein vor – die Greifenschau auf der Falknerei ist immer ein Erlebnis. Dann weiter nach Wiesenburg-Bahnhof und schließlich durch den Schloßpark in den Ort und zum Schloß Wiesenburg. Mehr als 2‑3 Angebote sind ohnehin kaum zu schaffen, wenn man nicht hetzen und auch noch etwas von der Natur haben will.
Der jährliche Flämingmarkt fand dieses Jahr in Görzke statt, welches leider nicht auf der 48h-Route lag. Von Wiesenburg aus fuhr eine weitere Shuttle-Linie dorthin, aus Zeitgründen habe ich jedoch darauf verzichtet.
Anreise
Über eine ganz normale Bahnfahrt würde man i.d.R. kein Wort verlieren, aber diese hier ging schon ungewöhnlich los. Im S-Bahnhof Westkreuz beim Umstieg von der Ringbahn zur Stadtbahn in Richtung Wannsee zeigten die Zielanzeiger Verzögerungen wegen eines Polizeieinsatzes an – schon gut, wenn man etwas eher losfährt. Doch glücklicherweise rollte nur wenige Minuten später der erwartete Zug der Linie S7 ein. Und dieser wurde sogar prompt auf das zweite Gleis umgeleitet (Westkreuz hat Richtungsbahnsteige, d.h. 2 Gleise pro Richtung), da in dichtem Abstand bereits die nächste S7 folgte. Entweder kommt gar keiner – oder alle auf einmal.
Wir erreichten den Bahnhof Wannsee jedenfalls rechtzeitig und stiegen in den bereitstehenden Regionalexpreß in Richtung Dessau um. Über Potsdam und Beelitz verlief alles planmäßig und pünktlich. Doch wenige Kilometer vor Baitz, dem letzten Haltepunkt vor Bad Belzig, wurde der Zug mit einem Male langsamer. Und langsamer. Und noch langsamer. Dann meldete die Triebfahrzeugführerin per Lautsprecherdurchsage einen Lokschaden, sie wolle jedoch noch versuchen, den Zug bis Baitz rollen zu lassen. So weit kamen wir allerdings nicht mehr und blieben mitten im Wald liegen. Also stehen.
Ratlosigkeit im Zug, aber auch Gelassenheit – was kann man schon machen. Einige studierten bereits die Karte für einen möglichen Fußmarsch zum nächsten Ort, andere spekulierten über ein Abschleppen des Zuges, ich selbst überdachte meinen Zeitplan – maximal eine Stunde war Luft, wenn ich die Burg Rabenstein noch rechtzeitig erreichen wollte.
Nach ca. 30min dann die erlösende Durchsage: Mit vereinten Kräften war es offenbar gelungen, die Maschine wieder in Gang zu bringen. Aufgrund des Defekts und der Verzögerung wurde der Zuglauf allerdings verkürzt bis Bad Belzig. Den Reisenden in Richtung Wiesenburg und Dessau wurde ein Ersatzverkehr mit Bussen angekündigt.
Mit halbstündiger Verspätung erreichten wir Bad Belzig – und hier gab es für die Weiterreisenden wenigstens eine kleine, angenehme Überraschung: Statt Bussen hatte die Bahn kurzfristig einen kompletten Ersatzzug aus dem Hut gezaubert. Respekt.
Für die 48h-Besucher standen auf dem Vorplatz zwei Shuttlebusse bereit. Erstaunlicherweise war der Andrang sehr viel geringer als noch vor zwei Jahren. Mußte man damals noch zusehen, überhaupt mitzukommen, hatte man diesmal ganze Sitzreihen für sich allein. Es war allerdings auch schon Mittag und der erste große Schwung war schon weg. Mit einem gutgelaunten Reisebegleiter ging es dann los in Richtung meines ersten Ziels: Raben.
Raben/Burg Rabenstein
In Raben befindet sich das Informationszentrum „Naturpark Hoher Fläming“, dort findet das jährliche Apfelfest statt. Rund um die Frucht gibt es viele Informationen, dazu Leckereien aus der Region wie z.B. Apfelfederweißer und Wildbratwurst sowie Spiele, so z.B. einen Schäl-Wettbewerb um die längste Apfelschale.
Nach einem kurzen Rundgang durch den Fläming-Laden machte ich mich auf den Weg hoch zur Burg. Am Bergfried angekommen, lief ich direkt einer Hochzeitsgesellschaft in die Arme – vor mir durchschritten gerade Braut und Bräutigam das Burgtor. Auf den Schreck gönnte ich mir eine kurze Stärkung, und dann war auch schon die Zeit ran für die Greifenschau in der Falknerei. Diese liegt ein paar Fußminuten vor der Burg.
Greifenschau
Der Falkner auf Burg Rabenstein, Dirk Grabow, präsentierte vor gut gefülltem „Hause“ wieder in gewohnt unterhaltsamer, aber sehr informativer Weise eine Reihe mittlerer und großer Greifvögel:
- „Lumpes“ (Schwarzer Milan)
- „Luna“ (Sakerfalke)
- „Gonzo“ (Gänsegeier)
- „Xena“ (Steppenadler)
- „Graf Luckner“ (Seeadler)
- „Milbus“ (Roter Milan)
Fast alle ließen sich auch zu mehr oder weniger ausgedehnten Platzrunden oder wenigstens kurzen Angriffen auf Beute verleiten und wurden vom Falkner den Besuchern auch aus nächster Nähe präsentiert.
Für großes Gelächter sorgte insbesondere der Geier „Gonzo“ mit seiner neugierigen und – zumindest am Boden – etwas unbeholfenen Art. Falkner Grabow wies zuvor wohlweislich darauf hin, kleinere Stofftier-Anhängsel an Taschen und Rucksäcken (hier war es konkret ein Entenküken) besser zu verbergen: „Wenn der Geier kommt, frißt er’s auf. Direkt.“
Doch auch die anderen Vögel begeisterten. Steppenadler „Xena“ zog von ihrem Aussichtspunkt aus mehrfach im Tiefflug über die Köpfe der Zuschauer hinweg, während Sakerfalke „Luna“ vor allem durch ihre Geschwindigkeit und Wendigkeit beeindruckte. Einzig der wehrte Herr Graf zeigte sich etwas widerspenstig und – Zitat: „pampig“, imponierte aber dennoch, allein schon durch seine äußere Erscheinung.
Einige Bilder und evtl. ein ausführlicherer Bericht folgen.
Einziger kleiner Wermutstropfen war nur das meiner Meinung nach etwas zu offensichtliche Geschacher um Geld. Die Eintrittspreise sind zwar sehr fair und auch die Aufschläge für Foto- bzw. Filmerlaubnis gerechtfertigt; so dicke wird es eine Falknerei nicht haben – die Vögel wollen schließlich versorgt sein. Aber man muß es dann während der Show nicht auch noch mehrfach explizit betonen oder gar auf den an diesem Tag einzigen „Kameramann“ (also mich) hinweisen, der dafür bezahlt hat. Das geht auch dezenter.
Zudem – und diese Kritik sei mir nach reiflicher Überlegung gegönnt – war die Reaktion auf meine höfliche E-Mail-Anfrage nach einer Erlaubnis zur ausschnittsweisen Veröffentlichung des Videomaterials ausgesprochen dünnhäutig. Natürlich ist es völlig legitim, eine solche abzulehnen, und das respektiere ich auch. Doch direkt mit der Androhung rechtlicher Schritte zu kontern, sollten Aufnahmen der Greifenschau bei YouTube o.ä. landen, sowie etwas später gar aufgrund meiner an sich – Zitat: „gutgemeinten Aktivitäten“ ein generelles Verbot von Videoaufnahmen für zukünftige Besucher in Erwägung zu ziehen, ist – bei allem Respekt – reichlich unangemessen und übertrieben. Ein höfliches „Nein“ und idealerweise eine kurze Begründung hätten vollauf genügt. Denn gerade um Probleme zu vermeiden hatte ich ja angefragt!
Zugute halten muß man dem Falkner allerdings, daß er den zuzahlenden Gästen (neben mir mit Kamera war noch ein weiterer Fotograf) durchaus besonderes und imposantes Bildmaterial bot, indem er die Vögel z.B. direkt vor uns ausgiebig präsentierte oder gar zu einem Faustappell animierte. Großen Dank dafür. Und von dieser kleinen Unschönheit am Rande abgesehen ist eine Greifenschau definitiv ein Erlebnis für die ganze Familie.
Nach den Greifvögeln schaute ich mir noch etwas die Burg an und spazierte dann quer durch den Wald wieder runter nach Raben. Mit einem kurzen Schlußsprint erreichte ich noch einen gerade haltenden Shuttlebus und fuhr weiter zu meinem nächsten Ziel: Wiesenburg-Bahnhof.
Wiesenburg
Der Bahnhof Wiesenburg liegt rund 2km vom eigentlichen Ort entfernt – der damalige Schloßherr wollte schlicht keine Bahnlinie quer durch seinen Vorgarten haben.
Im Bahnhofsgebäude gab es eine kleine Foto-Ausstellung zur Geschichte des Bahnhofs und der Eisenbahn sowie einen Fläming-Laden mit Produkten aus der Region. Direkt neben dem Bahnhof beginnt der Wanderweg durch den Schloßgarten mit dem „Tor zum Fläming“.
Dieses Kunstwerk besteht aus sieben Stelen, welche 2008 im Rahmen eines Kinder- und Jugendprojektes geschaffen wurden. Aus Eichenholz entstanden Figuren aus Legenden und Märchen des Hohen Flämings: Lindwurm, Räuber, Riese, Turm, Teufel, Nixe und Kobold.
Der Weg führt dann durch zunächst recht wildes Gehölz bis hin zum heutigen Schloßgarten mit großer Fontäne und gepflegten Anlagen. Im Schloß selbst bietet der Turm neben vielen geschichtlichen Informationen eine wunderbare Aussicht über den Ort Wiesenburg sowie den Fläming.
Es war mittlerweile später Nachmittag. Mit einem der letzten Busse fuhr ich zurück nach Bad Belzig.
Rückreise
Über eine ganz normale Bahnfahrt … ach, das hatten wir ja schon.Wir schafften es auf der Rückreise bis kurz vor Beelitz-Heilstätten. Dann wurde der Zug mit einem Male langsamer. Und langsamer – diesmal allerdings deutlich strammer als auf der Hinfahrt. Fast unsanft kamen wir – wieder mitten im Wald – zum Stehen. Kurz darauf kam die Durchsage, daß aufgrund eines Übergriffs die Notbremse gezogen worden war.
Wieder Ruhe und Gelassenheit im Zug – was kann man schon machen. Ein Weilchen später überholte uns auf dem Gegengleis ein ICE – moderne Signal- und Steuerungstechnik (und Weichen an den richtigen Stellen) machen es möglich. Nach ca. 30min rollten wir ganz gemächlich weiter bis Beelitz-Heilstätten. Dort verzögerte sich die Weiterfahrt erneut aufgrund des nötigen Polizeieinsatzes. Berichten einzelner Passagiere zufolge, welche gelegentlich mal einen Blick aus der Tür warfen, wurde schließlich wohl eine Person abgeführt.
Mit 50min Verspätung fuhren wir schließlich weiter in Richtung Berlin, der nachfolgende Zug dieser Linie war nur noch 10min hinter uns. Daß im Bahnhof Westkreuz auf der Stadtbahn erneut Verzögerungen wegen eines Polizeieinsatzes angezeigt wurden, quittierte ich nur noch mit einem gelassenen Lächeln – die Ringbahn fuhr ja.