3. März 2012

Flughafen Berlin Brandenburg „Willy Brandt“

„Crash BER 2012“ – Übung für den Notfall

Am Samstag, 3.3.2012, fand auf der Baustelle des neuen Flughafens Berlin-Brandenburg (BER) eine großangelegte Notfallübung statt. Simuliert wurde die Bruchlandung eines A320 aus Moskau kommend, welcher im Landeanflug in Schwierigkeiten gerät, hart aufsetzt und nach Bruch des rechten Fahrwerks Feuer fängt. Der Flieger wurde zwar „nur“ durch zwei Niederflurbusse dargestellt, der Rest drumherum war jedoch so real wie möglich. Insgesamt waren rund 700 Personen an der Übung beteiligt, davon etwa 100 Komparsen. Ein Augenzeugenbericht eines mittelschwer Verletzten.

Zunächst die Abendnachrichten:

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Bei der Bruchlandung einer Maschine der ÜbungsAir auf dem Flughafen Berlin-Brandenburg sind am heutigen Nachmittag fünf Menschen ums Leben gekommen, rund 40 Personen wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt.

Der Airbus A320 auf dem Weg von Moskau nach Berlin war während des Landeanflugs durch starke Winde in Schwierigkeiten geraten. Nach dem Bruch eines Fahrwerks schlug das rechte Triebwerk auf dem Boden auf und geriet in Brand. Die Maschine rutschte über die Landebahn und kam brennend zum Stehen. Flughafenfeuerwehr und Rettungskräfte waren im Großeinsatz.

Die meisten Passagiere konnten über Notrutschen geborgen werden, doch für fünf von ihnen kam jede Hilfe zu spät. Die Verletzten wurden in die umliegenden Krankenhäuser gebracht.

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Der Morgen

Um kurz vor 10 wurden wir am S-Bahnhof Schönefeld aufgesammelt und nach Abgleich mit der Passagierliste wie schon bei der Vorbereitungs­veranstaltung mit Bussen zum BER-Terminal gefahren.

In einem Zelt direkt vor dem Terminal standen wie zuvor warme und kalte Getränke zur Verfügung. Doch zunächst war Anstehen angesagt, da alle Komparsen für den Tag ihre Ausweise erhielten, die offen sichtbar zu tragen waren. Zudem bekamen wir unser Flugticket, die Bordkarte sowie einen Plan des Übungsgeländes auf der südlichen Start- und Landebahn.

Nach der Begrüßung durch die Leiter der Übung und des Johanniter-RUD-Teams Lausitz („Realistische Unfalldarstellung“) war zunächst erstmal Warten angesagt. Verzögerungen ergaben sich auch, da eine Reihe Teilnehmer doch noch abgesprungen waren und somit eine Handvoll Verletzte „nachnominiert“ werden mußte. Die Auswahl und der Abgleich interner Listen zog sich etwas hin, was aber nicht weiter dramatisch war – wir saßen ja halbwegs warm und waren versorgt.

Aufgrund der großen Zahl Absprünge mußte auch die eigentlich für diesen Tag vorgesehene „Familien­zusammen­führung“ abgesagt werden – die frischen Singles bzw. Witwer sollten sich nun einfach nach Belieben zu spontanen Freundschaften zusammen­finden, wenn gewollt. Für den Ablauf der Übung war das aber nicht von großer Bedeutung.

Irgendwann im Laufe des Vormittags wurden durch einen Leiter der Übung sowie einen Vertreter der Polizei die Komparsen vorübergehend in Verletzte und Unverletzte getrennt. Die Unverletzten sollten nach dem Unfall polizeilich erfaßt und befragt werden und erhielten für diesen Zweck ihre „Reisepässe“.

Vorbereitung

Inzwischen war auch das Schminkteam eingetroffen und bereit. Für die Verletzten begann nun die Präparation an 4 Stationen, je nach Verletzung: Leicht, Mittel, Schwer, Tod. Wir wurden der Reihe nach namentlich aufgerufen und an der jeweiligen Station „behandelt“ sowie mit Tipps für das Spielen unserer Verletzungen versorgt. Das Schminken selbst dauerte jeweils nur wenige Minuten, doch die erzielten Effekte mit festen und flüssigen Farben, Wachs, Ruß sowie ggf. weiteren Utensilien (in einigen Fällen Behelfskleidung) waren erstaunlich. Auch der Hinweis bei der Vorbereitungs­veranstaltung, am Tag der Übung möglichst in entbehrlicher Kleidung zu erscheinen, war nicht ganz unbegründet.

Gegen Mittag wurden dann für alle Beteiligten und etwas später auch für die dazukommenden Beobachter zur Stärkung Lunchpakete verteilt:

  • Ciabattabrot mit Leberkäse und Rotkrautsalat,
    alternativ auch mit Käse
  • Berliner („Pfannkuchen“)
  • Rote Grütze mit einem Klecks Vanillesoße
  • 0,5l Multivitaminsaft

Zusätzlich standen nach wie vor Kaffee, Tee und Wasser zur Verfügung.

Parallel lief das Schminken der Verletzten weiter. Insbesondere die krassen Fälle wie blasses Leichengesicht, offene Bauchverletzung, Verletzung der Halsschlagader oder dicke Glassscherbe im Arm sorgten für großes Erstaunen und Begeisterung sowie den ein oder anderen makaberen Kommentar („Damit solltest Du mal zum Arzt!“) Doch auch zahlreiche blutige Glassplitter im Gesicht, Hautfetzen oder offene Knochenbrüche sahen erschreckend echt aus – ein großes Kompliment an das RUD-Schminkteam.

Bald darauf wurde es deutlich voller und lauter im Zelt, als zahlreiche Beobachter verschiedenster Dienste eintrafen: Vertreter von Feuerwehren, Polizei, Notärzte, Notfallseelsorger, Katastrophen­schutz u.v.a., welche der Übung lediglich beiwohnen sollten, aber nicht aktiv eingriffen. Diese erhielten zuvor auch gesonderte Ausweise.

Der Leiter des RUD-Teams erklärte uns nun gruppenweise an den Tischen (aufgrund der Lautstärke im Zelt war es anders nicht mehr möglich) nochmals den Ablauf der kommenden Übung. Insbesondere wurden letzte Tipps zu den Verletzungen gegeben, z.B. um nicht gerade mit gebrochenem Handgelenk auf die Retter zuzulaufen und dabei zu winken. Auch wurden wir nochmals ermahnt, zwar unsere jeweilige Rolle auszureizen, es aber nicht zu übertreiben. Spätestens die Bundespolizei würde irgendwann keinen Spaß mehr verstehen, und nach einem beherzten Drehen eines Arms auf den Rücken wäre im Ernstfall auch der Griff zur „Goldenen Acht“, sprich: Handschellen, nicht mehr weit. Auch wurde im Laufe der Vorbereitung noch mehrfach erwähnt, im Falle einer echten Verletzung „Tatsache“ zu sagen, damit die Retter Bescheid wissen und das nicht für einen Teil der Rolle halten.

Foto: RUD Lausitz

größeres Bild Gruppenfoto der Verletzten

Gegen 14 Uhr wurden wir dann nach draußen geführt, während drinnen das Briefing der Beobachter begann. Für uns gab es letzte Hinweise, eine abschließende Passagier­liste, wobei sich u.a. herausstellte, daß eine eigentlich eingeplante Großfamilie bis auf einen einzigen Angehörigen „verstorben“ war, sowie kurzes Posieren für ein paar Gruppenfotos. Danach ging es direkt mit dem Bus raus aufs Rollfeld.

Der Weg dorthin war allerdings weit. Aufgrund der Baumaßnahmen gab es offenbar keine Verbindung vom Terminal aus zum südlichen Vorfeld, so daß wir zunächst über die direkte Terminalzufahrt in Richtung Autobahn das Flughafengelände komplett verließen, um es dann über eine andere östliche Einfahrt wieder zu befahren. Unterwegs standen bereits zahlreiche Feuerwehr­fahrzeuge in Reih und Glied am Straßenrand und ihre Besatzungen „Gewehr bei Fuß“.

Das letzte Stück der Fahrt führte schließlich direkt über die neu gebaute südliche Start- und Landebahn (SLB), vorbei an großflächig ausgelegten „X“en aus Folie – die Bahn ist halt noch nicht in Betrieb – zum sogenannten Abroller M5, welcher als Unfallschauplatz diente.

Interessant ist übrigens die Feinstruktur der SLB – so aus der Nähe sieht man das ja auch selten (und ich hatte genügend Zeit, mir das anzuschauen): Unzählige und erstaunlich tiefe Querrillen in nur wenigen cm Abstand voneinander zur Vermeidung von Aquaplaning durchziehen die gesamte Piste.

Vor Ort waren neben den beiden Bussen, welche den verunglückten A320 darstellten, bereits zahlreiche Pressevertreter und andere Beobachter versammelt. Eine Hebebühne erlaubte den Fotografen Aufnahmen von oben. Nach letzten Einweisungen stiegen wir in das „Flugzeug“ um, also in die beiden Busse. Nach kurzer Zeit fiel auf, daß wir eigentlich alle verkehrt herum saßen und quasi rückwärts flogen – die rechte „Tragfläche“ und somit die Pyrotechnik befand sich links von uns. Die Busse standen aber nun mal so und für den Verlauf der Übung war das auch nicht weiter von Bedeutung.

Letzte Hilfe

Das RUD-Team ging ein letztes Mal durch das „Flugzeug“ und verteilte großzügig frisches „Blut“:

  • Jede offene Wunde wurde ausgiebig getränkt (O-Ton: „Wir haben auch 5l-Kanister …“)
  • Der Passagier mit der großen Glasscherbe im Arm wurde unter Gelächter gar nochmal nach draußen auf die Piste beordert und dort gründlich „versorgt“.
  • Anderen Opfern lief das Blut in langen Bahnen übers Gesicht oder aus offenen Wunden an Hals, Armen und Beinen.
  • Einzelnen Passagieren wurde mittels Spritzen in den Mund die Möglichkeit gegeben, Blut zu husten (infolge Rippenbruchs und Perforation der Lunge) und damit ggf. die Retter buchstäblich anzuspucken.
  • Eine Passagierin bot einer Mitarbeiterin des RUD-Teams, welche sich ihre blutverschmierten Hände abwischen wollte, bereitwillig ihren Jackenärmel an.

Letzte Absprachen, kurz vor 15 Uhr ging es dann los …

Die Bruchlandung

Neben dem „A320“ zündete die Pyrotechnik und eine Menge Rauch stieg auf. Der Wind trieb diesen über die Busse hinweg, wodurch auch wir tatsächlich eine Menge davon abbekamen. Anfangs noch belustigt, gingen dann doch alle in ihre Verletzten-Rollen über. Nach anfänglichen Hinweisen an die Crew („Rauch!“ „Da brennt was!“) ging es dann zwar hektisch, aber doch halbwegs geordnet ins Freie. Irgendjemand packte auch mich und wir stolperten gemeinsam irgendwie raus.

Foto: RUD Lausitz

größeres Bild Brandbekämpfung in dichtem Qualm

Währenddessen war auch bereits die Feuerwehr von der westlichen Wache herangerauscht, allen voran das 40t-Monster „Panther“, und begann in dichtem Qualm – sie standen direkt im Wind – mit der Brandbekämpfung. Kurz danach kam von der Ostseite her Unterstützung.

Während die meisten Passagiere sich selbst bzw. durch die Hilfe ihrer Begleiter in Sicherheit bringen konnten, mußten einige von den Rettungskräften unter Einsatz von Atemschutz­geräten aus dem Wrack geborgen werden.

Foto: RUD Lausitz

größeres Bild Sammelplatz an einem der ersten Einsatzfahrzeuge

Ich selbst habe zunächst, durch den Rauch wild hustend und keuchend, das Weite gesucht, während mein Arm heftig blutete. Auf der Flucht von dem brennenden Wrack weg hätte ich mich beinahe noch wirklich auf die Nase gelegt, bin dann aber irgendwann in halbwegs sicherer Entfernung einem anderen Passagier und schließlich einem Feuerwehrmann in die Arme gelaufen, der mich auf eine bereitstehende Trage legte. Nach und nach kamen weitere Passagiere dazu bzw. wurden von den Ersthelfern dort am Fahrzeug gesammelt. Dummerweise im Schatten, was recht schnell recht kühl wurde.

„Tatsache!“

Und nun kam ein echter Zwischenfall: Aufgrund meiner heftigen gekünstelten Husterei durch Rauchgasvergiftung und auch tatsächlich des Rauches wegen bekam ich echte Atemprobleme. Zwar nicht dramatisch, aber ich mußte mich auf der Trage doch erstmal aufsetzen. Kurz darauf war auch ein Mitarbeiter des RUD-Teams bei mir und fragte „Tatsache oder Rolle?“ „Beides.“ Auch ein Feuerwehrmann war dabei, der mich erstmal in das Fahrzeug setzte. Mit einer kurzen Inhalation war die Sache schnell wieder gut, aber ich wurde vorsorglich doch „neutralisiert“, d.h. aus der Übung genommen, und sollte mit dem nächsten Bus vom Unfallort weggefahren werden. Nach kurzer Absprache – auch mit der Übungsleitung und insbesondere der Polizei, damit die nicht plötzlich einen vermissten Passagier haben – stieg ich dann in einen Kleinbus, wo ein paar der Beobachter saßen. Die kuckten zwar erstmal komisch, was ich als „Verletzter“ da will, aber das war schnell geklärt.

So konnte ich also von dort aus ein bißchen zuschauen und mithören, was die Beobachter so für Gedanken austauschten. Z.B. wunderten diese sich, daß direkt neben uns und somit in unmittelbarer Nähe zum Unfallort der Bus stand, in welchem unter polizeilicher Beobachtung die Unverletzten gesammelt wurden, um später ins Konferenz­zentrum des Flughafens gefahren zu werden. Daß Menschen so dicht am Ort des Geschehens gesammelt werden und praktisch ohnmächtig mitansehen müssen, wie ihre Angehörigen nur ein paar Meter entfernt vor Schmerzen schreien oder gar sterben, stieß bei den Beobachtern doch auf ziemliches Unverständnis.

Kurze Zeit später stieg dann plötzlich ein Sanitäter zu und fragte nach der Person mit dem Asthma …

Ich also raus und rüber in einen Rettungswagen (RTW). Es war tatsächlich für meine „Tatsache“ ein echter Notruf rausgeschickt worden und ich hatte meinen eigenen Rettungswagen! Der Arzt erklärte mir dann auch prompt die Verwunderung in der Leitstelle, als unmittelbar nach dem Notruf wegen des BER-Crashs noch zwei weitere eingingen, so als ob sich da jemand einen Scherz erlaubt hätte. Aber beide waren echt. Die andere „Tatsache“ war ein Herzanfall oder sogar ein Herzinfarkt, zumindest war immer von letzterem die Rede, wenn man so Gespräche bzw. Funkverkehr mithören konnte.

Nach kurzem Gespräch mit dem Arzt, der üblichen Aufnahme der Personalien und einem kurzen Check (Lunge, Sauerstoffgehalt des Blutes, Blutdruck, alles OK) hatte ich die Wahl, entweder wirklich mit ins Krankenhaus zu fahren oder wieder bei der Übung weiterzumachen. Eine echte Rettungsfahrt war aber nicht Sinn der Sache und mir ging es auch wieder gut, daher entschied ich mich natürlich für letzteres, bin raus aus dem RTW und gesellte mich nach kurzer Rücksprache mit einem der Übungsleiter wieder zu den Verletzten in der Sicherheitszone.

Bergung und Versorgung der Opfer

Foto: RUD Lausitz

größeres Bild Gegenseitige Hilfe

Und nun saß ich da also auf der SLB, leicht benommen, geschockt, schwer atmend, mit schmerzendem Arm und tatsächlich frierend, während um mich herum die anderen Verletzten stöhnten und sich leichter verletzte Passagiere um Hilfe und vor allem um wärmende Decken bemühten, welche anfangs praktisch nicht vorhanden waren. Einzig ein paar Rettungs­folien waren verfügbar – bei dem Wind keine einfache Sache und zudem viel zu wenig, was zu entsprechend verärgerten Reaktionen bei den Passagieren führte, welche sich um ihre verletzten Mitinsassen kümmern wollten: „Decken! Wo bleiben die verdammten Decken?“ Die ersten Rettungskräfte wurden daher recht hartnäckig beharkt (was ja im Sinne der Übung auch gewollt war) und hatten ihre Mühe, in dem Chaos auch noch die aufgebrachten Passagiere zu beruhigen.

Rettungsfolien sind kurzfristig erstaunlich wirkungsvoll, später kamen mit den eintreffenden Rettungskräften dann aber doch endlich richtige und vor allem wärmende Decken dazu. Zudem wurden wir – sofern möglich – zu kleinen Gruppen zusammengesetzt, um uns wenigstens gegenseitig etwas wärmen zu können. Ein Sanitäter saß bei meinem Begleiter und mir und fragte immer wieder mal nach dem Befinden.

Foto: RUD Lausitz

größeres Bild Rettungszelt

In der Nähe waren zur Unterstützung inzwischen drei Rettungs­hubschrauber gelandet (aber nur „Deko“, auch wenn die Besatzungen in die Rettungsaktion eingriffen). Zudem war unmittelbar am Unfallort ein großes Zelt aufgebaut worden, in welches die Verletzten auf Tragen gebracht wurden. Ob es auch tatsächliche Transporte in umliegende Krankenhäuser gab, entzieht sich meiner Kenntnis. Geplant waren eine Handvoll echter Rettungsfahrten, alle anderen Verletzten sollten mit RTWs lediglich zu einer der Zufahrten zum Flughafengelände transportiert und von dort mit einem Bus wieder zurückgebracht werden.

Mittlerweile waren mehrere Ärzte zu einer ersten Bestandsaufnahme durch die Menge gegangen und hatten jedem Opfer eine sogenannte Anhängekarte verpaßt, jeweils mit einer ersten Diagnose sowie einer Einschätzung in Form einer Farbkarte, von grün/leichtverletzt über gelb bis rot/schwerverletzt. Blau und schwarz gab es übrigens auch …

Soweit zumindest die Theorie. Praktisch wurde bei einigen Passagieren jedoch überhaupt keine Erstdiagnose aufgeschrieben, sondern einfach nur so eine Farbkarte umgehängt. Andere wurden nach eigener Aussage von ein und derselben Ärztin mehrfach befragt. Gerade zu Beginn der Übung herrschte neben dem natürlich zu erwartenden Chaos doch auch eine ziemliche Ratlosigkeit bzw. gefühlte Überforderung auf Seiten der Einsatzkräfte. Zumindest kam es uns so vor, als ob viele nicht so recht wüssten, was sie nun tun sollten und wer überhaupt was zu sagen hat.

Zudem schienen so manche Retter nicht mit dem nötigen Ernst bei der Sache zu sein bzw. sich zu sehr bewußt zu sein, daß es ja nur eine Übung ist. Mein Ersthelfer von der Feuerwehr meinte zu meiner Armverletzung nur „was immer das sein soll“, bevor er einen flüchtigen Verband mit lockerem Knoten anlegte.

Manche seiner Kollegen reagierten ähnlich unsensibel: „Andere sind noch schlimmer dran als sie.“ – das mag zwar stimmen, trotzdem kann und darf man sowas niemals einem verletzten, traumatisierten Passagier sagen, der um Hilfe bittet! Und meine eigene Rauchgasvergiftung wurde trotz blauer Lippen, Atemproblemen, Husten und verrußtem Gesicht gar nicht erkannt, die Armverletzung (Schürf- und schwere Schnittwunde) nach Notverband als leichte Verletzung eingestuft und fertig – grün. Vielleicht hätte ich doch noch kollabieren sollen …

Irrläufer

Die absolute Krönung – und somit ein ziemliches Versagen zumindest eines Teils der Rettungskräfte bzw. Betreuer – war die Tatsache, daß insgesamt fünf als leicht verletzt eingestufte Passagiere – mich eingeschlossen – in den Bus mit den Unverletzten gebracht wurden, welche ins Konferenzzentrum des Flughafens zur polizeilichen Erfassung und Befragung gebracht werden sollten. Wir hatten dafür natürlich keinerlei Papiere. Die den Bus begleitenden Polizisten schauten denn auch recht verwundert und fragten sich, wieso jetzt plötzlich Verletzte eingeladen werden. Zudem dauerte so manches ihrer Meinung nach ohnehin viel zu lange.

Eine Dame im hinteren Teil des Busses wies immer wieder auf ihre stark im Gesicht blutende Begleiterin hin (Glassplitter in der Wange) und daß diese einen Arzt bräuchte. Nach kurzem Hin und Her blieben beide jedoch, rat- und hilflos, im Bus.

Wir fuhren also ins Konferenzzentrum. Ich saß weit vorne und konnte während der Fahrt die Unterhaltung der begleitenden Polizisten und somit auch den Polizeifunk mithören. Die Beamten selbst waren verwundert bzw. sogar etwas besorgt darüber, daß die Passagiere praktisch mithören können, wie über Funk aktuelle Meldungen und vor allem Opferzahlen durchgegeben werden. So wurde während der Fahrt z.B. durchgegeben, daß die Feuerwehr aktuell von drei Toten und soundsoviel Verletzten ausgeht. Man stelle sich traumatisierte Angehörige vor, die sowas mit anhören müssen. Aber im Ernstfall scheint das wohl nicht ausgeschlossen zu sein.

Auch nicht ganz ohne war die Konfusion zwischen den einzelnen Verantwortlichen und Organisationen über die tatsächliche Besetzung unseres Busses, schließlich waren unter den 27 Passagieren ja auch 5 Verletzte, die eigentlich gar nicht hätten an Bord sein dürfen.

Unterwegs unterhielten sich die Polizisten u.a. auch über die echten Probleme während der Übung, also die „Tatsachen“. Der „Asthmafall“ saß innerlich grinsend direkt hinter ihnen, abermals war von einem Herzinfarkt die Rede sowie gar von einer dritten Tatsache und einem, der wohl von selbst ausgestiegen war. Und tatsächlich saß schräg hinter mir ein „Toter“ …

Im Konferenzzentrum ging es nicht minder sonderbar weiter. Zwar wurde direkt für leibliche Stärkung in Form von Gebäck und Getränken gesorgt, doch mehr als „Wir kümmern uns um sie.“ haben zumindest wir verletzten Irrläufer nicht erfahren. Wir standen rum und unterhielten uns. Es war eine Atmosphäre wie auf einem Empfang oder einem Messestand. Wäre jemand von uns nochmal ernsthaft in seine Rolle gefallen und womöglich dort im Saal blutend oder rauchgasvergiftet zusammengebrochen – da hätte keiner gewußt, was zu tun ist.

Irgendwann kam dann einer der RUD-Betreuer zu uns und teilte uns mit, wir wären „neutralisiert“, da wir schließlich gar nicht hier sein dürften: Da hatten einige der Rettungskräfte schlichtweg Mist gebaut.

Nun dienen solche Übungen natürlich auch dazu, derartige „Fehlpässe“ aufzudecken, etwas erschreckend war es aber schon. Wir standen dann also ein Weilchen entspannt im Foyer rum, aßen Kekse, tranken Wasser und plauderten, während uns immer wieder Mitarbeiter vom „Airport Care Team“ fragten, ob wir denn schon erfaßt worden wären. Wir kassierten so einige verwunderte Blicke, als wir ihnen stets mitteilten, daß wir nicht mehr „mitspielten“. Irgendwann trafen mit einem Krankentransport sogar noch drei weitere Verletzte ein, einer davon gar mit gebrochenem Arm. Dieser war zwar immerhin schon geschient worden, aber ein Konferenzzentrum ist für derartige Verletzungen sicherlich nicht der optimale Ort.

Kurz danach war die Übung dann auch offiziell beendet, es war mittlerweile weit nach 18 Uhr. Wir wurden zurück zum Ausgangspunkt am Terminal gefahren und bekamen nach kurzen Abschlußworten einen Fragebogen zu unserer Einschätzung der Übung in die Hand gedrückt. Nach Abgabe unserer Ausweise bekamen wir als Dankeschön einen Beutel mit ein paar Gimmicks und Werbegeschenken des Flughafens sowie einiger Airlines, darunter auch ein Gutschein für freien Eintritt auf der neuen BER-Besucherterrasse. Sowas nimmt man doch gerne mit. Dann ging es mit Bussen zurück zum Bahnhof Schönefeld. Viele von uns waren noch immer voll geschminkt, was im ÖPNV u.U. noch für einige Irritationen gesorgt haben dürfte.

Fazit

Alles in allem war es ein höchst spannendes und auch sehr unterhaltsames Erlebnis. Gerade auch die Pannen und Zwischenfälle erlaubten so manche Einblicke bzw. andere Betrachtungsweisen, die man sonst gar nicht erfährt. Wir Komparsen – ich denke, da kann ich guten Gewissens für alle sprechen – hatten jedenfalls eine Menge Spaß. Einige der Rettungskräfte haben zwar noch Hausaufgaben zu machen bzw. mangelt es hier und da an der nötigen Abstimmung, doch dafür sind solche Übungen da und das Gesamtfazit fällt wohl größtenteils positiv aus. Bleibt nur zu hoffen, daß es bei solchen Übungen bleibt – den Ernstfall will keiner.

Weiterführende Links

Presse

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