2015
Jesus in Frankreich entführt
14. Mai 2015
70 Jahre Befreiung vom Faschismus
Treptow spricht russisch
Am 70. Jahrestag der Befreiung Deutschlands vom Faschismus am 8./9. Mai 2015 sind der Treptower Park und insbesondere das sowjetische Ehrenmal fest in russischer Hand. Bei volksfestähnlicher Stimmung und in ein Blumenmeer getaucht wird der russischen Opfer des Krieges als auch insbesondere des Sieges der Roten Armee über Hitlerdeutschland gedacht. Doch bei aller Freude bleibt ein bitterer Beigeschmack.
Das Sankt-Georgs-Band und die russische Tricolore waren allgegenwärtig im Treptower Park, das gesamte Gelände fest in russischer Hand: Das 70-jährige Jubiläum des Sieges über Nazideutschland am 8. Mai 1945 – aufgrund der Zeitverschiebung war es bereits der 9. Mai in der Sowjetunion – wurde ausgiebig gefeiert, insbesondere rund um das sowjetische Ehrenmal. Ein Meer aus hauptsächlich Nelken und Rosen überzog die gesamte Stätte, an einzelnen Denkmälern und Grabstätten türmten sich die Blumensträuße zu Bergen.
Die Stimmung war ausgelassen wie auf einem Volksfest – vielfach trafen sich die Menschen zu Picknicks und ausgelassenen Freudengesängen, andererseits aber auch bedrückend angesichts der damaligen Ereignisse. Die Begrenzungszäune der Anlage wurden im Laufe des Tages mit tausenden Namen der in den Sammelgräbern bestatteten Gefallenen auf zumeist von Kindern bemalten Schildern behängt, vielfach wurden Fotos verstorbener Veteranen oder gefallener Angehöriger gezeigt. Der Aufgang zum Ehrenmal war sowohl von Menschen als auch Blumen überfüllt.
Doch bei all der Freude bleibt ein bitterer Beigeschmack. Schon die Anlage selbst ist unter heutigen Gesichtspunkten kritikwürdig aufgrund der überbordenden Glorifizierung der Roten Armee und deren Stilisierung zu Helden, welchen „ewiger Ruhm“ gebührt. Zweifelsohne haben die Soldaten Ehre und großen Dank verdient, da sie endgültig zum Sturz Hitlers führten, den Wiederaufbau unterstützten und nicht zuletzt auch die Sowjetunion die meisten menschlichen Opfer zu beklagen hatte. Aber weder war der Sieg über Hitler das alleinige Verdienst der Roten Armee, noch dürfen deren eigene Kriegsverbrechen während und vor allem nach Ende des Krieges verschwiegen werden. In Teilen des damaligen Reiches wüteten die „Befreier“ schlimmer als die Nazis zuvor und nahmen gnadenlos Rache an der Zivilbevölkerung für das ihnen selbst zugefügte Leid. Zahlreiche Massaker und vor allem Vergewaltigungen sind dokumentiert, die Zahl der Opfer geht nach Ansicht von Historikern in die Hunderttausende.
All das war natürlich kein Thema im Park. Stattdessen versammelten sich am Rande des Geländes zahlreiche linke und anderweitig obskure Gestalten: parteitreue Veteranen, stramme Genossen, Putins nationalistische Kampfdackel, ewiggestrige Mauerschädel und andere geschichtsverleugnende Dummschwätzer. Viele davon gaben ihre Lobhudeleien auf den Kommunismus, den Sozialismus und die ehemalige Sowjetunion zum Besten. So seien in der aktuellen Ukraine-Krise selbstverständlich US-Präsident Obama und Kanzlerin Merkel nicht nur konfliktverschärfend, sondern die Hauptaggressoren. Ein junger Mann pries die ehemalige Sowjetunion gar als Ort des Humanismus und lobte die „sozialistische Ideologie“ [sic!]. Ob seines Alters wird er kaum den „realexistierenden Sozialismus“ der DDR bewußt erlebt haben können, daher seien ihm als mildewaltendes Urteil ein paar weitere Geschichtsstunden sowie eine Vertiefung seiner Kenntnisse über die allgemein übliche Bedeutung des Begriffs „Ideologie“ ans Herz gelegt. Daß zudem schon kleine Kinder in Uniformen des russischen Militärs umherliefen, dürfte vor allem Führer Putin erfreuen, der sich in Moskau zu diesem Anlaß an einer der größten Militärparaden überhaupt ergötzte. Frieden sieht anders aus.
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